Analyse: Blau-Weiß Linz 0, Lustenau 0
Aufsteiger gegen Schlusslicht: Besonders sexy klingt das Duell nicht. Aber das Match zwischen BW Linz und Lustenau sagt durchaus etwas über den Verlauf des Abstiegskampf der heimischen Liga aus.
Sieben Niederlagen in Folge mit 2:20 Toren – Lustenau, in der abgelaufenen Saison als Achter souverän in der Liga geblieben und sogar im Europacup-Playoff – kam als siegloses Schlusslicht zum elften und letzten Spiel des ersten Durchgangs. Die Abgänge von Sechser Türkmen (in die Türkei), Linksverteidiger Guenouche (zur Austria) und Innenverteidiger Hugonet (in die 2. Liga in Deutschland) konnten nicht kompensiert werden.
Blau-Weiß war in den ersten Spielen nach dem Aufstieg von Gegnern und Tempo ein wenig überfordert, fand sich in den letzten Wochen aber immer besser zurecht – acht Punkte aus den letzten fünf Spielen, dem 1:0-Hit-and-Run in Salzburg inklusive, daheim immer noch sieglos, aber auch erst mit einer Niederlage. „Von Lustenau absetzen“ wollte sich Trainer Gerald Scheiblehner im direkten Duell.
Gute Grundlagen bei Blau-Weiß
Gegenüber dem Aufstiegsteam wurde für der Kader für die Bundesliga nur geringfügig verändert, der größte Handlungsbedarf entstand durch die Abgänge von Seidl und Mayulu (beide zu Rapid) im Angriff. Man holte sich den Deutsch-Iren Conor Noss von der Regionalliga-Mannschaft von Mönchengladbach, der sofort Stammspieler wurde, und den bulligen Stefan Feiertag aus Amstetten – das sind die Sphären, die das Budget des Liga-Neulings hergibt.
Umso mehr müssen die vorhandenen Spieler miteinander funktionieren. Das Spiel ist darauf ausgelegt, möglichst schon im Mittelfeld die Bälle zu gewinnen (vor allem Marco Krainz tat sich gegen Lustenau dabei hervor) und dann über zwei Kanäle nach vorne zu kommen: Entweder mit Pässen auf die Außenstürmer Noss und Mensah, die in den Strafraum ziehen – oder mit einem Anspiel auf Aufstiegsheld Ronivaldo im Angriffszentrum, der dann auf seine Nebenmänner ablegt.
Gleichzeitig wird darauf geachtet, immer mindestens eine, möglichst zwei defensive Passrouten offen zu haben. Es ist die kontrollierte Offensive: Man versucht schon, nach vorne zu kommen, aber nicht um jeden Preis und möglichst risikominimierend. Das 3-4-3 ermöglicht zudem eine solide Absicherung über die ganze Spielfeldbreite.
Stumpfe Offensive beim Aufsteiger
In den ersten Saisonspielen war die Abwehr noch ziemlich offen (drei Gegentore gegen Hartberg, zwei vom LASK, fünf von Rapid und vier von Sturm), hier hält man gegen die weniger potenten Angriffsreihen der Kontrahenten aus der unteren Tabellenhälfte deutlich besser dagegen. Das größte Problem bleibt aber die Offensive – 6:7 Tore gab es in den fünf Matches vor dem Duell mit Lustenau, alleine vier der Tore gelangen beim Sieg bei Wattens.
Wenn Ronivaldo eine bestenfalls mäßige Leistung zeigt, wie gegen Lustenau, fällt schon viel weg. Vor allem am potenziellen Assist hapert es, der „letzte Pass“: Blau-Weiß kommt, bei aller Spielkontrolle, so gut wie nie in gute Abschlusspositionen. Man war Lustenau in praktisch allen Belangen überlegen, mehr als zwei wirklich gute Möglichkeiten schauten dabei aber nicht heraus.
Völlig verunsicherte Lustenauer
Rein von den Resultaten her sind die Vorarlberger ganz ordentlich in die Saison gestartet – Auswärts-Remis in Hartberg und Wolfsberg, vertretbare Niederlagen gegen Sturm und die Austria – aber nach dem 0:3 im Derby gegen Altach ging es richtig bergab. Zu den Abgängen kam die Unruhe um Lukas Fridrikas (der seinen Unmut über den vom Klub verweigerten Transfer öffentlich kundtat) und die Verletzung von Kapitän und Abwehrchef Maak (in dessen Folge von 3-4-1-2 auf 4-2-3-1 umgestellt wurde)
Was die Spielidee sein soll, wurde beim Auftritt in Linz aber nie so richtig klar. Der Ball wurde im Mittelfeld verloren? Weder wurde dem Ballverlust nachgegangen, noch sich konsequent zurückgezogen. Einstudierte Laufwege? Pässe, vor allem im Mittelfeld, landeten in Dauerschleife irgendwo im Nirwana – jene gute Abstimmung, die die Linzer zeigten, fehlte Lustenau komplett. Im Gegenteil, man wirkte ob der zahlreichen Rückschläge in jüngster Vergangenheit völlig verunsichert.
Diaby und Linzer Schnitzer
Am ehesten gab es noch Vorstöße über die Außenbahnen, vor allem über Yadaly Diaby (der mit Fridrikas immer wieder die Seiten tauschte) – aber für jedes gute Dribbling des Clermont-Leihspielers aus Guinea folgen drei misslungene, sei es durch technische Annahmefehler oder dem verpassten Zeitpunkt des Abspiels. Sturmspitze Nikolaj Baden-Fredriksen war kaum mehr als körperlich anwesend, Fridrikas war wirkungslos, Surdanovic versuchte das Spiel zu lenken, aber es gab keine Impulse.
Lustenau wurde nur dann gefährlich, wenn die Blau-Weißen individuelle Schnitzer einbauten. Entgegen des Spielverlaufs landete der Ball zwar vor der Pause zweimal im Linzer Netz, aber beide Tore zählten wegen Abseitspositionen nicht. Vor allem in der Mitte der zweiten Hälfte wurde Lustenau ziemlich in die Seile gedrückt, erst in der Schlussphase befreite man sich etwas: Bobzien (statt Fridrikas) band mit seinen Dribblings Linzer Gegenspieler besser als Fridrikas vor ihm, dazu fehlte bei Blau-Weiß die Substanz von der Bank.
Fazit: Blau-Weiß mit besseren Karten – aber!
Für die Linzer war das 0:0 absolut eine verpasste Chance, den Abstiegsplatz zehn Punkte (bzw. fünf nach der Punkteteilung) hinter sich zu lassen. Das Match zeigte die Stärken und die Defizite des Aufsteigers exemplarisch offen: Immer voller Einsatz, gute Abstimmung, das Risikomanagement wurde den neuen Gegebenheiten in der Bundesliga angepasst – all das Eigenschaften eines soliden Teams, das sich um den Klassenerhalt keine großen Sorgen machen müsste. Aber: Der Angriff ist in dieser Form langfristig sicher nicht bundesligatauglich, der Offensiv-Output ist viel zu gering, es braucht zweifellos mehr Qualität im Kreieren von Torchancen.
Im Lustenauer Lager verkaufte man ihren über weite Strecken miserablen Kick in Linz tatsächlich als Fortschritt, was Bände über die bisherige Saison spricht. Dass man ohne Sieg und mit nur drei eigenen Toren aus elf Matches überhaupt noch in Schlagdistanz zur Rettung liegt, hat mehr mit der ähnlich schwachen Saison von Wattens sowie der Aussicht auf die Punkteteilung zu tun. Viele der Attribute von Blau-Weiß fehlen den Lustenauern aber: Die Abstimmung ist inexistent, ein über individuelle Dribblings hinausgehender Offensivplan ebenso. Ja, die Defensive hielt stand, allerdings gegen einen Gegner ohne großen Punch.
Stand jetzt hat Blau-Weiß sicher ganz gute Karten im Rennen um den Verbleib in der Bundesliga, um den Handlungsbedarf wissen Trainer Scheiblehner und Sportdirektor Schößwendter selbst am Besten Bescheid. Lustenau muss sich in wesentlich mehr Bereichen steigern, damit es nicht wieder runter geht. Der Modus und vor allem Wattens lassen aber (noch) alle Möglichkeiten offen.