Der Königinnen Marsch: Die Gruppe B der WEuro 2025 (ESP, ITA, BEL, POR)
Der Weltmeister aus Spanien, das aufstrebende Team aus Italien, die resiliente Truppe aus Belgien und die alternde Mannschaft aus Portugal: Das ist die Gruppe B bei der Frauen-EM in der Schweiz.
Der Königinnen Marsch
Amtierende Weltmeisterinnen sind sie, die darauf folgende Ausgabe der Nations League hat Spanien auch gewonnen. Jeweils fünf der sechs Spiele in EM-Qualifikation (Frühjahr 2024) und Nations-League-Gruppenphase (Frühjahr 2025) ebenso. Der FC Barcelona, der de facto das Nationalteam darstellt, stand in sechs der letzten sieben Endspielen der Women’s Champions League, gilt als das Nonplusultra auf Klubebene.
Ist Spanien der große Favorit, nun auch erstmals einen EM-Titel zu holen? Die kurze Antwort ist: Ja! Die etwas längere Antwort ist jedoch eher ein „Ja, aber“ – das liegt an der Erfahrung von Olympia letztes Jahr und eben auch ein wenig am FC Barcelona und dessen Niederlage vor einigen Wochen im Europacup-Endspiel gegen Arsenal.
Bei den Spielen von Paris 2024 wirkte Spanien ausgebrannt. Schon im Viertelfinale gegen Kolumbien brauchte es einen Kraftakt, um einen 0:2-Rückstand in der Schlussphase noch aufzuholen, im Semifinale wurde Spanien dann aber von Brasilien geradezu vorgeführt – die Offensive wurde effektiv gestoppt, die Defensive als extrem anfällig auf mutige Konter entlarvt. Und dann verlor Spanien auch noch das Match um Bronze gegen Deutschland.
Die Stammkräfte von Barcelona haben auch in der abgelaufenen Saison wieder 56 Einsätze für Klub und Nationalteam gesammelt, nach EM 2022 und WM 2023 und Olympia 2024 wieder ohne eine echte Sommerpause. Schon bei Olympia haben die Kontrahenten verstanden, dass man die ehemalige 400-m-Läuferin Salma Paralluelo aus dem Spiel nehmen kann, wenn man sie nicht aus der Tiefe anlaufen lässt. Andererseits haben Chelsea im Europacup-Semifinale 2024 und Arsenal im Finale 2025 gezeigt, dass Barcelona verwundbar ist, wenn man sich schon im Mittelfeld anzupressen traut.
Das alles ist angesichts der spanischen Klasse natürlich für fast alle Gegner eine akademische Diskussion ohne echten Praxis-Bezug. Denn es braucht neben Mut auch extrem hohe Qualität, um diese Spielweise gegen Spanien auch tatsächlich durchzuziehen – denn es gibt eben eine Aitana Bonmatí auf der Acht, die ALLES beherrscht – passen, dribbeln, lenken, schießen, und nach ihrer viralen Meningitis im Vorfeld sollte sie zumindest im Turnierverlauf zum Rhythmus finden könnte. Es gibt eine Mariona Caldentey, deren Gefühl für die Räume den Katalanen nach ihrem Transfer zu Arsenal letztes Jahr spürbar abgegangen ist. Es gibt eine Clàudia Pina, die sich dafür richtig in die offensive Auslage gespielt hat. Spanien hat im Frühjahr die Gruppengegner Portugal (7:1 und 4:2) und Belgien (5:1 sowie ein 3:2 nach 0:2-Rückstand) teilweise ziemlich verprügelt, hat England nach dem 0:1 im Wembley zumindest daheim besiegt, hat Frankreich in einem Test letzten Herbst geschlagen.
Wie viel Toxizität Montse Tomé – die als Jorge Vildas Assistentin nach dessen Verjagung ins marokkanische Exil das Amt der Teamchefin übernommen hat – wirklich aus dem Verhältnis zwischen Spielerinnen, Staff und Verband rausgenommen hat, ist bei alldem von Außen kaum zu beurteilen. Zwei Jahre, nachdem Ex-Verbandsboss Luis Rubiales sein langjähriges Verhalten um die Ohren geflogen ist, wirkt der zwischenmenschliche Aspekt gegenüber der Öffentlichkeit fast wie ein Tabu-Thema. Jenni Hermoso jedenfalls, die sich in der mexikanischen Liga sichtbar wohl fühlt, ist seit Monaten kein Thema mehr. Sie scheint auch im Kader nicht auf.
Wo ist die Siegesgöttin? Als Sklavin Roms hat Gott sie erschaffen!
Einst, in den Neunzigern, galt die italienische Frauen-Liga als eine der professionelleren in Europa. Und doch mussten sich die Nationalspielerinnen als Belohnung für ihre Qualifikation für die WM 1999 mit einer kleinen Plakette abspeisen lassen – der Materialwert wurde in der Gazzetta dello Sport vom 12. Juni 1999 mit „qualque migliaia di lire“ angegeben, also literally irgendwas zwischen zwei und vier Euro. Als damals amtierender Vize-Europameister, wohlgemerkt.
Die Truppe um die damalige Kapitänin Antonella Carta hat sogar die PK mit Verbandspräsident Luciano Nizzola gekapert, um auf die Geringschätzung aufmerksam zu machen. Geändert hat sich aber auch in den Jahrzehnten danach nicht viel – es sollte 20 Jahre dauern, bis die Azzurre überhaupt mal wieder bei einer WM dabei waren.
In den letzten Jahren aber wurde auch hier einiges angeschoben, die großen Teams sind zunehmend engagiert – Fiorentina als erstes, in den letzten Jahren waren Juventus und die Roma federführend – und nach verlorenen Jahren mit der überforderten Temchefin Milena Bertolini hat das Team nun unter Andrea Soncin sehr schnell eine eigene, funktionierende Identität gefunden. Rund um das starke Mittelfeld mit Taktgeberin Giugliano, Antreiberin Caruso und der jungen Severini hält Italien den Gegner mit gezieltem Anlaufen in dessen Verteidigungsdrittel, kann schnell umschalten und vorne stehen acht potenzielle Stürmerinnen zur Verfügung, die je nach Profil und Gegner aufgestellt werden können.
Italien ist gegen den Ball besser als mit dem Ball, der eigene Aufbau ist ein wenig phantasielos. Aber in der Qualifikation wurde man vor den Niederlanden und Norwegen sogar Gruppensieger, in der gerade abgeschlossenen Nations League nur knapp hinter Schweden Gruppenzweiter. Die EM 2022 und die WM 2023, jeweils von Bertolini schon in der Gruppenphase mit Karacho in den Sand gesetzt, hätten den Aufschwung der Liga auch auf Nationalteam-Ebene manifestieren können.
Mit der wohlmeinenden Auslosung ist für Italien in aktueller Form sogar ein Semifinal-Einzug keine Utopie. Der italienische Fußball als Ganzes könnte es gut brauchen.
Dein sind unsere Herzen, unsere Waffen, unser Blut
Während Italien über Jahre hinweg einfach nur da war, ohne erkennbares eigenes Profil und ohne mit etwaigen Erfolgen Spuren zu hinterlassen, ist Belgien jetzt eine etwas schwächere Version des selben Phänomens. Ives Serneels hat – parallel zu Dominik Thalhammer in Österreich – ein im Frauenfußball komplett irrelevantes Team zum respektablen Mittelständler gemacht. Nicht aber mit großer Flexibilität, sondern vor allem mit Resilienz und einem soliden, aber doch recht faden Funktions-Fußball.
Serneels wurde nach 14 Jahren im Amt im vergangenen Winter abgelöst, für ihn kam Elísabet Gunnarsdóttir, die über ein Jahrzehnt wie ein Synonym für den schwedischen Frauen-Mittelständler Kristianstad war. Die Isländerin setzte als Belgien-Trainerin im Frühjahr in der Nations League auf eine noch verschärft unspektakuläre Variante – es war gnadenloser Defensiv-Fußball, Fünferkette mit zwei Sechsern davor, zwei vertikale Flügelspieler und vorne die ewige Tessa Wullaert.
Das ist verständlich gegen Spanien (wo man auswärts zwischenzeitlich sogar 2:0 vorne war, dann aber verlor) und England (gegen das man daheim sogar 3:2 gewann), doch auch im entscheidenden Spiel um das Vermeiden des direkten Abstiegs in Portugal legte man es genauso an. Und gewann 3:0. Damit hat es Belgien einmal mehr geschafft, irgendwie den Kopf über Wasser zu halten.
Bei der letzten EM schlich Belgien mit einem überraschenden Sieg gegen ein implodierendes Italien sogar erstmals ins Viertelfinale, das wäre auch diesmal eine kleine Sensation. Belgien-Spiele machen selten Spaß, dem Zuseher nicht, dem Gegner aber noch viel weniger. Wer da nicht die Nerven und die Geduld bewahrt, verbrennt sich gegen die Red Flames rasch die Finger.
Gegen die Kanonen marschieren wir, marschieren
Benfica hat es 2023/24 sogar bis ins Viertelfinale der Women’s Champions League geschafft, hat dabei Eintracht Frankfurt eliminiert. Zu Beginn der abgelaufenen Saison hat Sporting für ein Ausrufezeichen gesorgt, ebenfalls Frankfurt aus dem Bewerb gekegelt. Und das Nationalteam? War 2023 bei der WM zwei Zentimeter davon entfernt, die USA schon nach der Gruppenphase nach Hause zu schicken. Als Portugal 2017 erstmals bei einer EM dabei war, war das eine riesige Überraschung. Heute ist die Truppe längst etabliert.
Seit der Verband 2016 die Großklubs nachdrücklich angehalten hat, sich im Frauenfußball zu engagieren und diese die zahlreichen Legionärinnen vor allem aus Spanien und Deutschland nach Hause zu holten, hat Portugal nur ein einziges Turnier verpasst. Das war die WM 2019, Gegner in der Qualifikation waren… genau, Italien und Belgien.
Francisco Neto, der seit 2014 Teamchef ist, hat eine ausgesprochen routinierte Truppe, erstaunliche neun Spielerinnen vom EM-Debüt vor acht Jahren sind immer noch dabei, sieben davon als Stammkräfte. Aus dem 4-3-1-2 vergangener Tage ist ein 5-2-1-2 geworden, in dem der gegnerische Aufbau angelaufen bzw. auf die Außenbahnen gelenkt wird. Portugal ist sehr gut eingespielt, technisch grundsätzlich nicht schlecht, aber die schon in die Jahre gekommene Abwehr ist nicht mehr besonders schnell, körperlich nicht, geistig auch nicht.
Man hielt im Februar England bei einem 1:1 und besiegte Belgien auswärts 1:0, stieg aber dennoch aus der A-Gruppe der Nations League ab – mit einem 0:6 in England, einem 1:7 in Spanien und einem 0:3 trotz deutlich mehr Spielanteilen im entscheidenden Match gegen Belgien. Kika Nazareth vom FC Barcelona, die wichtigste Spielerin im Offensiv-Bereich, ist seit Monaten mit einer Sprunggelenksverletzung out. Sie ist im Kader, eine echte Hilfe ist sie bei der EM vermutlich eher nicht.
Die Spiele der Gruppe B
Donnerstag, 3. Juli um 18 Uhr in Sion: Italien - Belgien
Donnerstag, 3. Juli um 21 Uhr in Bern: Spanien - Portugal
Montag, 7. Juli um 18 Uhr in Thun: Spanien - Belgien
Montag, 7. Juli um 21 Uhr in Genf: Italien - Portugal
Freitag, 11. Juli um 21 Uhr in Sion: Belgien - Portugal
Freitag, 11. Juli um 21 Uhr in Bern: Spanien - Italien