Frauen-EM 2025: Zwischen Normalität und alten Widerständen
Vor der anstehenden EM der Frauen in der Schweiz steht der Sport dank Steigerungen in puncto Strukturen, Sichtbarkeit und Bekanntheit gut da. Er muss sich aber immer noch Widerständen erwehren.
Nein, also das Old Trafford ist das nicht gerade. Wenn am Mittwoch mit Finnland gegen Island die Endrunde der in der Schweiz ausgetragenen Frauen-EM startet, wird das erste Spiel in der Stockhorn Arena von Thun über die Bühne gehen – ein modernes Kleinstadion, funktional und plus/minus so sexy wie ein IKEA-Regal. Auf Österreich umgelegt, wäre das in etwa wie ein Turnier-Auftakt in St. Pölten. Das offizielle EM-Motto lautet „Der Gipfel der Emotionen“, aber naja.
Schon klar: Mit dem letzten Turnier in England auf der Ebene von altehrwürdigen Fußball-Gemäuern konkurrieren zu wollen, kann für die Schweiz nicht gut gehen und gleich nach dem Match in Thun folgt das offizielle Eröffnungsspiel im großen Stadion in Basel, der Gastgeber trifft auf Norwegen. Aber auch ein Push zum Titel, wie ihn England 2022 und die Niederlande 2017 erfolgreich abgeschlossen haben und wie er auch für Schweden 2013 lange das Turnier getragen hat, geht sich für die Eidgenössinnen, aktuell sportlich eher in der Rue de la Gack als im Hotel Baur au Lac daheim, nicht aus.
Die EM hat ihren Platz gefunden
Der europäische Frauenfußball ist aber mittlerweile in einer Position, wo nicht mehr mit allen Mitteln angeschoben werden muss, um sich irgendwie die Sichtbarkeit zu verschaffen. Das Standing hat sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren dramatisch verbessert und der Sport hat sich seine Nische gefunden: familienfreundlicher und nahbarer als bei den Männern, es ist kein kaltes Milliarden-Business, aber doch längst hoch-professionell.
Die Frauen-EM von 2005 in England wurde beinahe versteckt, man brauchte keine zwei Autostunden, um alle vier Haupt-Spielorte in Merseyside und Lancashire abzuklappern. 2009 in Finnland, das erste Turnier mit zwölf Teams, zeigte den Willen von der UEFA, litt aber unter dem überwiegend kargen Interesse vor Ort und dem späten Zeitpunkt Anfang September. 2013 in Schweden sorgte der Gastgeber für eine spürbare Begeisterung im Land, sportlich war es aber noch eher old-school. 2017 in den Niederlanden, erstmals mit 16 Teams, war der Professionalisierungsschub in Europa dann erstmals auch auf einer sichtbaren Breite durch eine gesteigerte Athletik am Rasen zu sehen. Und 2022, wiederum in England, war auch das Niveau der TV-Produktion nicht mehr von jener einer Männer-EM zu unterscheiden.
Ein Gastgeber, der nichts kompensieren muss
Die Niederlande waren 2017 wohl genau der richtige Gastgeber für das erste auf 16 Teams erweitere Turnier: Ein Land mit traditioneller, großer Begeisterung für den Fußball, weltoffen und mit dem richtigen Portfolio an mittelgroßen Stadien. Schweden und England waren sich schon 1984 im ersten EM-Finale gegenüber gestanden, hier hat der Sport eine lange Tradition, vor allem in Schweden war er schon lange voll akzeptiert gewesen.
Die Schweiz ist nun ein, wenn man so will, ganz normaler Gastgeber. Einer, der nicht mit seinem Standing im Frauenfußball und seinem ganz speziellen Flair mögliche Schwächen oder Risiken kompensieren muss. Die Schweiz ist ein sicheres Paar Hände, dem man ein solches Turnier guten Gewissens überreichen kann. Man bekommt ein seriöses, funktionierendes, weitgehend pannenfreies Turnier. Die Ticketpreise sind familienfreundlich, schon ab 25 Franken pro Eintrittskarte ist man dabei.
Rund 85 Prozent der Karten sind bereits abgesetzt, das entspricht dem Zuschauerschnitt des Turniers von England 2022, und da waren die Highlight-Spiele on Old Trafford (knapp 68.000 bei England gegen Österreich) und Wembley (87.000 beim englischen Finalsieg gegen Deutschland) dabei. Wenn es tatsächlich in diese Richtung mit einem 18.000er-Schnitt wie bei der letzten EM geht, wäre das ein grandioser Erfolg.
Kann man sich also auch in der öffentlichen Wahrnehmung voll auf das Sportliche konzentrieren? Leider, nein, das geht immer noch nicht. Es war vermutlich nicht clever von den Schweizerinnen, das Testspielchen gegen die U-15-Burschen des FC Luzern als tatsächliches Match auszutragen, statt als Trainingseinheit zu gestalten. Das geleakte Resultat von 1:7 wurde tagelang genüsslich durch den boulevard-medialen Kakao gezogen, obwohl weder der Kontext des inhaltlichen Fokus (welche Situationen genau wollte Sundhage simulieren?) noch jener der allgemeinen und ja logischen Unterschiede betrachtet wurde.
Weil jede unter professionellen Bedingungen spielende Junioren-Mannschaft ein Erwachsenen-Frauen-Team deutlich besiegt. So wie jeder männliche Tennis-Junior, der auch nur für ein College-Stipendium in Frage kommt, die besten WTA-Spielerinnen besiegen würde und so wie auch in der Leichtathletik alleine im letzten Jahr knapp 200 Junioren über 100 Meter schneller waren als die weltbeste Frau – und das Schweizer Frauen-Team ist ja auch keines der weltbesten.
Aryna Sabalenka und Sha’Carri Richardson werden aber nicht öffentlich als lächerlich bezeichnet. Nur: Es geht bei der öffentlichen Ablehnung des Frauenfußballs ja in Wahrheit nur sehr peripher um den Frauenfußball selbst. Wer sich wirklich nicht dafür interessiert, ignoriert es einfach und äußert sich gar nicht dazu – so wie sich auch viele nicht für Rodeln oder Tischtennis interessieren.
Ein gesellschafts-psychologisches Männerthema
Der Fußball aber war jahrzehntelang ein klar männlich dominiertes Feld – nicht nur sportlich, sondern auch symbolisch. Wenn Frauen diese Bühne zunehmend bespielen, wird das von so manchem männlichen Ego wie ein Einbruch in die letzte Bastion empfunden. Dabei ist es ist eine gefühlte Bedrohung, aber keine faktische. In der psychologischen Wahrnehmung jedoch wirkt sie real. Der Männerfußball verliert durch den Frauen-Fußball weder Wert noch Raum, sehr wohl bröckelt aber das Monopol auf Sichtbarkeit und gesellschaftliche Deutungshoheit.
Die aggressive Ablehnung ist eine Kompensationsstrategie und nicht selten spielt auch Neid eine Rolle – auf das positive Echo, die gesellschaftliche Aufmerksamkeit, die Anerkennung. Und dann ist da noch das Unausgesprochene: Dass das, was Frauen tun, plötzlich nicht mehr als ‚weniger‘ gilt. Es ist wie eine Angst davor, dass sich das Gefälle zwischen dem Männlichen als Norm und dem Weiblichen als Ausnahme schließt.
Die tiefere Sorge, die dem zugrunde liegt, hat mit Kontrollverlust zu tun bzw. dem Einbüßen der Deutungshoheit und natürlich – gerade in einer Zeit großer politischer Umwälzungen, die man als hilfloser Passagier erleben muss – der Angst vor Veränderung. Es gibt einen kleinen, sehr lauten Teil, der auf Provokation setzt. Mit diesen Menschen wird nie eine sinnvolle Diskussion möglich sein. Aber allen anderen kann man Angebote machen – indem man Vielfalt normalisiert, nicht als Kampfansage inszeniert. Wer sich nicht attackiert fühlt, muss sich auch nicht verteidigen.
Eine in sich funktionierende Welt
Ein Aspekt kommt in dieser Diskussion auch oft zu kurz. Sport ist für Fans ja auch ganz viel wie eine Seifenoper. Da geht’s mindestens genauso viel um die Menschen, die Geschichten, die Narrative, die Rivalitäten – gar nicht so sehr um das Niveau an sich. Sonst dürfte sich auch niemand ein Wiener Derby anschauen, noch dazu, wenn gleichzeitig Liverpool gegen Manchester City läuft.
Und so funktioniert auch der Frauenfußball – während der Saison, aber öffentlichkeitswirksam natürlich vor allem bei Groß-Turnieren – in seinem eigenen Rahmen. Der Kampf um Anerkennung gehört da natürlich immer noch dazu, aber in diesem Turnier kulminieren eben auch zahlreiche Storylines. Bei denen, die sich Chancen auf den Titel ausrechnen. Bei jenen, die froh sind, dabei zu sein. Und letztlich auch bei jenen, die nicht dabei sind, bei denen sich aber auch was tut. Oder eben gerade weil sich bei einigen auch auffällig nichts tut.
Der Kampf um den Titel
Der Kreis der Top-Favoriten umfasst vier Länder und alle erzählen ihre eigene Geschichte. Da ist Weltmeister Spanien, der sich im Spannungsfeld zwischen den Nachwirkungen des Rubiales-Skandals im Umfeld und jenem der dominierenden inner-europäischen Stellung zu navigieren versucht – und das im Lichte der viralen Meningitis von Regisseurin Aitana Bonmatí. Da ist Titelverteidiger England, wo sich die Liga längst in eine internationale Premier-League-Version verwandelt hat – mit dem Zusatz, dass die Lionesses seit dem Sieg bei der Heim-EM vor drei Jahren ganz klar die Nummer eins in den Zuschauer-Rankings von Nations League und EM-Qualifikation sind.
Da ist Deutschland, die Dominatorinnen vergangener Tage, die achtfachen Europameisterinnen, die zu lange geglaubt haben, dass es eh immer so weitergehen wird. In den letzten zehn Jahren wurde man halbwegs abgehängt, nun hechelt man keuchend den Ländern hinterher, die die Zeichen der Zeit früher erkannt haben. Und da ist auch noch Frankreich, der ewige Mitfavorit, der noch immer irgendwie auf halber Strecke eingefädelt hat, nicht selten mit klarer Zwischenbestzeit, mindestens genauso oft mit angespanntem zwischenmenschlichem Innenleben.
Die, die auch mitreden wollen
Meistens unter den Top-4, immer irgendwie dabei, aber der ganz große Wurf ist sich für Schweden schon seit 41 Jahren nicht mehr ausgegangen – immerhin hat man sich mit der neuen Realität arrangiert, dass die eigene Liga, einst mit der deutschen die klar stärkste, professionellste, (relativ zu den anderen) reichste und attraktivste Europas, zur international kaum noch konkurrenzfähigen Ausbildungsliga geworden ist. Den anderen Weg geht Italien, die Liga wird internationaler und stärker, nach einigen verlorenen Jahren hat nun auch das Nationalteam eine eigene Identität gefunden.
Die Niederlande, seit dem Überraschungs-Triumph von 2017 erweiterte Weltspitze, schlägt sich mit den Schmerzen des Generationswechsels und einer dennoch im Vergleich relativ dünnen Spitze herum. Norwegen, das neben Deutschland einzige europäische Land mit „Triple Crown“ (WM-Titel, EM-Titel, Olympia-Gold), hat wie der einstige Groß-Konkurrent vom DFB schon anderthalb Jahrzehnte durch zielloses Mäandern auf der Suche nach dem Platz in der sich rasant entwickelnden Frauenfußball-Welt verloren – nur noch viel dramatischer als die Deutschen.
Polen, neue Nr. 1 im Teil-Wachstumsmarkt Osteuropa
In Nord- und Westeuropa hat der Sport schon lange einen gewissen Stellenwert, in den letzten Jahren ist auch der Süden nachgezogen. Einen schweren Stand hatte und hat er stets auch in Osteuropa, und da sind wir wieder bei den traditionellen Rollenbildern und dem Machtgefälle. Im strukturkonservativen Osten multiplizierte sich das alte weibliche Rollenbild mit fehlenden finanziellen Mitteln generell für das Umfeld im Fußball, was auch umso mehr den Frauenfußball betroffen hat.
Die Ligen dieser Länder sind weiterhin sehr schwach und das werden sie auch bleiben, doch etwa in Polen kratzt man schon regelmäßig bei den Heimspielen des Frauen-Teams an der 10.000-Zuseher-Marke. Vor zehn Jahren sind es 3.000 an guten Tagen gewesen, ein paar Hundert an weniger guten. Nach dem erfolgreichen Quali-Playoff gegen Österreich waren die Polinnen am Flughafen von Warschau von zahlreichen Fans erwartet worden, vor allem jungen Mädchen. „Wir sehen uns auch als Role Models“, bestätigte Oliwia Woś, die – wie praktisch alle Polinnen im EM-Kader – in besseren Ligen im Westen spielen: Deutschland, Frankreich, Spanien, auch Schweiz.
Nach dem kriegsbedingten Wegfall von Russland (nie erfolgreich bei einer EM, aber fast immer dabei), der fehlenden Entwicklung der Ukraine nach der einzigen EM-Teilnahme 2009 und nachdem die Tschechinnen auf mäßigem Niveau stagnieren, hat sich eben Polen als neue Frauenfußball-Nummer-eins der einstmals kommunistischen und/oder unter Moskaus Knute stehenden Länder aufgeschwungen.
Hermoso half auch Slowenien – indirekt
Im polnischen Schatten zeigen nun aber auch andere osteuropäische Frauen-Nationalteams auf: Serbien ist in der Nations League auf Kosten von EM-Teilnehmer Finnland erstmals in die A-Gruppe aufgestiegen, Stürmerin Nina Matejić gilt als eines der ganz großen Talente des Sports. Die Ukraine auch, und das mit Krieg im Land und ohne Heimspiele, der Aufstieg vor Tschechien stand schon vor dem letzten Spiel fest. Und Slowenien, keine Frage, muss man als Sonderfall betrachten, weil die Slowenen schon seit der Wende so gut wie allen anderen in puncto Lebensqualität, wirtschaftlicher Entwicklung und Seriosität weit voraus waren – ob der relativ geringen Einwohnerzahl (nur 5 Prozent der Einwohner Polens) tut man sich halt mit dem Personal entsprechend schwerer.

Slowenien, im letzten Herbst noch Österreich in der ersten EM-Playoff-Runde unterlegen, ist nun ebenso erstmals in die A-Gruppe der Nations League aufgestiegen, hat sich gegen WM-Teilnehmer Irland durchgesetzt. Jetzt, wo sie in Saša Kolman einen jungen, engagierten und offenkundig auch cleveren Teamchef haben – nicht den übergriffigen Choleriker Borut Jarc, dessen wahrer Charakter vor zwei Jahren nach der Rubiales-Causa an die Öffentlichkeit getragen wurde. Dadurch war Jarc seinen Job rasch los.
Der Kampf der Spanierinnen um Jenni Hermoso hatte also auch in anderen Ländern sichtbar positive Auswirkungen.
Widerstand durch Ignoranz, es gibt ihn noch
Es ist auch kein Zufall, dass die sichtbare Akzeptanz des Frauenfußballs in Osteuropa in jenen Ländern steigt, in denen auch gesellschaftspolitisch feministische Debatten lauter werden – auch wenn sie gleichzeitig stärker bekämpft werden. Wie in Ungarn etwa: Viktor Orbán steckt bekanntermaßen sehr viel Geld in fußballerische Prestigeprojekte wie die Puksás-Akademie in Felcsút oder das grandiose, renovierte Nationalstadion in Budapest. Die Frauen sind egal, das Team verliert zunehmend den Anschluss, ist nun sogar in die C-Gruppe der Nations League abgestiegen.
Ebenso wie das Team aus Rumänien, jenem Land, das zuletzt rund um die Präsidentenwahl mit den dezidiert anti-progressiven Kandidaten Călin Georgescu und George Simion in den Schlagzeilen war. In Kroatien versuchen sie mit wechselndem Erfolg, das Niveau auch durch in Österreich geborene/aufgewachsene Auswanderer-Kinder zu heben, in Serbien ist ein sportlicher (wenn auch von exakt null medialem und öffentlichem Interesse begleiteten) Aufschwung zu sehen. In Rumänien, in Ungarn, auch in der Slowakei, tritt man auf der Stelle.
Und gerät damit noch weiter ins Hintertreffen.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit
Und eben weil Stillstand gerade im Frauenfußball, wo noch längst nicht alle Entwicklungsschritte so bis ins Letzte ausgereizt sind wie bei den Männern, Rückschritt bedeutet, ist so eine EM alle paar Jahre auch immer eine Standortbestimmung, vor allem im soliden Mittelbau, zu dem auch das diesmal nicht qualifizierte Team aus Österreich gehört. Dieser wird breiter und hier wird der Fortschritt – oder eben fehlender Fortschritt – rasch sichtbar.
Vor acht Jahren beim Turnier in den Niederlanden konnte eben Österreich die Gegner komplett am falschen Fuß erwischen, punktete mit strategischer Variabilität, extremer Eingespieltheit und düpierte die Gegner so lange, bis erst im Halbfinale Schluss war. Acht Jahre später sind noch viel mehr Mittelklasse-Teams clever, mutig, stecken viel Know-how in die Vorbereitung und stellen viel bessere Strukturen schon im Nachwuchsbereich zur Verfügung – so wie eben Österreich damals.
Portugal beispielsweise, wo auch die Großklubs wie Benfica und Sporting viel aktiver sind als etwa die Austria und Rapid; auch Island hat sich im Rahmen der personellen Möglichkeiten weiterentwickelt. Irland hatte im WM-Kader 2023 fünf gebürtige US-Amerikanerinnen und vier gebürtige Engländerinnen im Kader, um den eher dünnen Talentefluss in der Heimat auszugleichen – das Team ist in der Heimat sehr populär, das entscheidende EM-Playoff ging knapp gegen Wales verloren. Dort sind sogar elf Spielerinnen im Kader, die in England geboren und aufgewachsen sind. Man schneidet mit dem strukturellen Aufschwung im Land des amtierenden Europameisters mit.

Gleichzeitig fällt es beispielsweise Dänemark zunehmend schwer, sich der wachsenden Konkurrenz aus dem Mittelbau zu erwehren, auch das Publikumsinteresse beim EM-Semifinalisten von 2013 und EM-Finalisten von 2017 sinkt stetig. Und am Ende trifft es auch Gastgeber Schweiz, die im Lichte einer starken Generation Mitte der Zehner-Jahre nicht so konsequent am Nachwuchs gearbeitet hat wie etwa Österreich. Nun gibt es, auch dank des Ausbildungszentrums in Biel, einen Schwung junger Talente – aber im Alter zwischen 21 und 28 Jahren gibt es praktisch keine Schweizerin von Belang.
Die Zeche zahlt eine Nati, die in der Nations-League in der Jojo-Falle zwischen A und B gefangen ist – während sich etwa Österreich stets relativ souverän in der A-Liga halten hat können, selbst jetzt, wo nach dem verpassten EM-Ticket vieles neu gedacht wird.
Give them a platform and people will watch
Die Erfahrungen der EM 2022 und der WM 2023, die praktisch komplett auf ORF1 übertragen wurden, zeigte: Die Einschaltquoten sind sehr vorzeigbar – nicht so stark wie bei den Länderspielen oder Turnieren der Männer, aber absolut im Bereich jener Europacup-Übertragungen der österreichischen Spitzenklubs, die im Sommer vom ORF gezeigt werden. Und, von einigen Prime-Time-Ausnahmen wie dem Krimi-Dienstag abgesehen, auch spürbar besser als im normalen Alltags-Bereich waren.
Sprich: Wenn man dem Frauenfußball eine Plattform gibt, sehen die Menschen auch zu. Im Land des Semifinalisten von 2017 und Viertelfinalisten von 2022 wird diesmal, ohne österreichische Beteiligung, zumindest die Gruppenphase vom Einser zu ORF Sport plus geschoben, dafür sind in Deutschland ARD und ZDF flächendeckend live im linearen Fernsehen dabei, ohne – wie bisher üblich – ganze Spieltage im Stream zu verstecken.
Diese EM fühlt sich im Vorfeld eher ungewöhnlich an, weil es erstmals nicht so sehr darum geht, einen Aspekt des Sports oder des Turniers zu erweitern – sei es Produktionswert, Athletik, Zuschauerzuspruch, TV-Flächen, Sichtbarkeit. Sondern darum, das in den letzten zehn, fünfzehn Jahren Erreichte zu konsolidieren und weiter in die Normalität zu bringen, im Alltag zu etablieren.
Entwicklung statt Holzhammer
Ein Push hat auch immer einen Backlash zur Folge. Das war nach 1999 so, als der US-Verband auf der Basis des großen Erfolges der groß aufgezogenen Heim-WM die Entwicklung wieder aktiv bremsen wollte und die Spielerinnen gegen US Soccer dagegen vor Gericht gezogen sind. Das war nach 2011 auch so, als die WM in Deutschland medial so extrem breit getrommelt wurde, dass sich jene, die davon nichts wissen wollten, als gesellschaftliche Aussätzige dargestellt sahen.
Ein Gefühl, das sich – und da schließt sich der Kreis – bis heute perpetuiert hat. Anders als 2011 aber ist die Frauenfußball-Welt von 2025, und auch ihr Standing, organischer gewachsen und auf erheblich breiteren Füßen. Der Holzhammer von 2011 war im Nachhinein betrachtet wohl ein Fehler, auch weil der Alltag nicht mit dem transportierten Bild der WM mithalten konnte. In England gab es noch keinen Profi-Betrieb, die Bayern-Frauen spielten noch draußen am Kreisliga-Sportplatz in Aschheim, in Spanien konnte man nicht mehr als die blanken Resultate der Liga in Erfahrung bringen und eine EM hat kaum zwölf patente Teilnehmer zusammenkratzen können.
Die stetige Entwicklung, die Professionalisierung durch das Geld der großen Namen aus dem Männer-Bereich, die Etablierung des neuen Champions-League-Modus und die wachsende Internationalisierung der großen Ligen: All das ist nachhaltiger als ein einzelnes, ins kollektive Bewusstsein geprügeltes Event. Das wird man nun auch in der Schweiz sehen, unabhängig davon, wie die EM verläuft und wer sie am Ende gewinnt.
Der Frauenfußball ist einfach zur alltäglichen Normalität geworden, in einer gewissen Nische während der Saison und nun halt im Zentrum, zumal die Klub-WM der Männer zumindest in Europa mit kaum mehr als beiläufigem Interesse verfolgt wird. Dieser zur Normalität gewordene mediale Raum ist dann halt auch der Grund dafür, warum das Schweizer Testmatch gegen die Burschen für einen so vehementen Widerhall gesorgt hat.
Bei Männern.
„Man muss Geld haben, aber man darf nicht danach fragen, denn das gehört sich nicht. Man muss für das schlechte Verhalten von Männern geradestehen, was völliger Unsinn ist, aber wenn man das anspricht, wird man des Meckerns bezichtigt. Aber man muss immer auffallen und immer dankbar sein. Aber vergiss nie, dass das System manipuliert ist. Also finde einen Weg, das anzuerkennen, aber sei auch immer dankbar. Man darf nie alt werden, nie unhöflich sein, nie angeben, nie egoistisch sein, nie hinfallen, nie versagen, nie Angst zeigen, nie aus der Reihe tanzen. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass man nicht nur alles falsch macht, sondern dass man auch immer selbst Schuld ist. Ich bin es einfach so leid, mir und allen anderen Frauen dabei zuzusehen, wie wir uns verbiegen, nur damit die Leute uns mögen.“
GLORIA in „BARBIE“