Playoff-Pleite gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei
Halbfinale 2017, Viertelfinale 2022 - nicht dabei 2025: Das Frauen-Nationalteam hat die EM nach einem enttäuschenden Länderspieljahr verpasst. Warum? Was jetzt? Und was wird aus Irene Fuhrmann?
Glasige Augen, wohin Oliwia Woś am Eingang des Spielertunnels auch blickte. Die über 1,80m große polnische Innenverteidigerin verteile Umarmungen – an Marie Höbinger und Viktoria Pinther, mit denen sie beim FC Zürich gemeinsam Schweizermeister geworden war. Und an Tanja Pawollek, ihre eigene Teamkollegin, die Rotz und Wasser heulte – völlig überwältigt davon, dass sich Polen erstmals für eine Frauen-EM qualifiziert hatte.
Und Österreich? Vor fast auf den Tag genau einem Jahr gab Manuela Zinsberger feixend den Satz „Mir san verdammte Scheiße zweiter Platz“ zu Protokoll, nachdem Österreich eben diesen mit einem 2:1 gegen Norwegen in der Nations-League-Gruppe fixiert hatte. The future was looking bright, doch mit Blick auf die EM gilt nach den beiden 0:1-Niederlagen im entscheidenden Playoff-Duell gegen Polen: Mia san verdammte Scheiße net dabei.
Wirklich schlechte Karten?
Das Kartenspiel „Cabo“ ist eine Mischung aus Strategie- und Glücksspiel, darin dem Fußball nicht ganz unähnlich. Es geht darum, seine vier Karten – von denen man zu Beginn allerdings nur zwei kennt – reihum so lange mit Karten vom Deck zu tauschen, bis man glaubt, einen Vorteil gegenüber den Gegnern zu haben. Jeder kann jederzeit die Spielrunde für beendet erklären, wenn dann tatsächlich die optimalen Karten hat, gewinnt. Dieses Spiel steht bei den ÖFB-Frauen gerade hoch im Kurs.
Im Fußball ist ein Match erst aus, wenn es aus ist. Aber Österreich hätte zu keinem Zeitpunkt der 193 Minuten und 30 Sekunden in den beiden Matches gegen Polen „Stop The Count“ (oder eben „Cabo!“) postulieren können, hätten sie es dürfen, um mit dem bestehenden Ergebnis zur EM in die Schweiz zu fahren.
Teamchefin Irene Fuhrmann hatte wiederholt über den Modus gestöhnt, dass es ein ziemlich enger Flaschenhals für die Direktqualifikation war (acht Teams) und sich alle anderen durch zwei Playoff-Runden quälen mussten. Nur: In der Qualifikation für die EM 2022 war es zwingend notwendig, einen Punkt gegen Frankreich zu holen UND alle anderen Spiele zu gewinnen, um gerade noch eines der damals zwölf Fix-Tickets zu ergattern. Nun brauchte es Siege gegen, bei allem Respekt, Slowenien und Polen.
Ist das wirklich schwieriger? Hat Österreich tatsächlich schlechte Handkarten gezogen?
Das 0:1 in Danzig
Wie schon beim 3:1 gegen Polen in Altach im Juli wurde beim Hinspiel in der Danziger EM-Arena versucht, die Flügelspielerinnen steil zu schicken. Damals war es gut gelungen, Dunst und Purtscheller zu finden und diese ihre Vorteile in Eins-gegen-Eins-Situationen ausspielen zu lassen. Das gelang in Danzig nur bedingt: Auch wenn man Dunst durch die Schnittstelle zwischen Zieniewicz und dem bei Barcelona ausgebildeten Abwehr-Talent Szymczak immer wieder fand, oft spielte sich Dunst fest.
An Purtscheller auf der rechten Angriffsseite lief das Spiel komplett vorbei, Schasching bemühte sich, war auf ungewohnter Position als RV aber längst nicht so reibungslos eingebunden wie noch in den Spielen gegen Slowenien. Durch das von Achcińska, Kamczyk und Pawollek verdichtete Zentrum gab es keinen Weg nach vorne; Marie Höbinger musste sich viel fallen lassen oder ausweichen. Die Strafraumbesetzung war unzureichend, Passoptionen mit Tempoverschleppung verbunden. „Es lag auch an den Bewegungen ohne Ball“, erkannte Fuhrmann: „Welches Angebot geben wir unserer Mitspielerin mit Ball?“
Im Rückwärtsgang konnte man zwei gute polnische Chancen nicht verhindern, aber im Ganzen hielt man Pajor gut aus dem Spiel heraus und potenzielle Kontersituationen wurden durch das österreichische Gegenpressing zumeist neutralisiert. Die erste Hälfte in Danzig war nicht besonders anregend, doch das 0:0 stellte einen akzeptablen Zwischenstand dar. Nach dem Seitenwechsel degenerierte das österreichische Spiel aber rasch. Was war geschehen?
Polen übernimmt das Ruder
Polen hatte Puntigam und Zadrazil vor der Pause die konstruktiven Passoptionen genommen, das österreichische Mittelfeld-Zentrum selbst aber noch weitgehend in Ruhe gelassen. In der zweiten Halbzeit nahmen Kamczyk und Achcińska das routinierte Duo im Mittelkreis in Manndeckung. Statt selbst Gegnerdruck ausüben zu können, sah sich Österreich diesem nun selbst ausgesetzt, der letzte Rest von Konstruktivität entwich.
Wer immer am Ball war, hatte sofort zwei Polinnen auf den Zehen stehen; Georgieva produzierte vermehrt Fehlpässe, auch Kirchberger wirkte zunehmend gehetzt. Schasching bewahrte noch am ehesten die Ruhe, entschärfte mit guter Positionierung ihres Körpers im Zweikampf die eine oder andere Situation. Es wäre auch in der 57. Minute hilfreich gewesen, wenn entweder Zadrazil, Kirchberger oder Höbinger die nach einem Puntigam-Fehlpass enteilende Kamczyk am Mittelkreis entschärft hätte, anstatt mitzulaufen. So konnte Kamczyk ungehindert den Steilpass auf Pajor spielen, die auf Padillla querlegte. Georgievas Rettungsversuch vor der Linie kam zu spät.
In der Folge rückte die österreichische Abwehlinie auf, Polen ging Passempfängerinnen an – ein solcher Fehlpass in der Spieleröffnung der weit aufrerückten Kirchberger resultierte in der 65. Minute in einem Gegenstoß über Pajor, die nur die Stange traf. So blieb Österreich am Leben, warf in der Schlussphase alles nach vorne, aber ein durchschlagender Abschluss war nicht mehr dabei.
Das 0:1 in Wien
„Mehr Aktivität, mehr Überzeugung“, forderte Furhmann vor dem Rückspiel. Nach einer wackeligen Startphase – in der Padilla und Kamczyk in der 8. Minute die polnische Führung auf dem Fuß gehabt haben, aber an Zinsberger scheiterten – war die Aktivität absolut da. Polen stand relativ tief, verstand es aber nicht, zwischen den Linien zuzumachen. Marie Höbinger machte sich dort oft anspielbar und hatte dann Zeit, sich schnell aufzudrehen. Gleichzeitig waren sie und Eileen Campbell extrem fleißig im Anlaufen, sie unterbanden einen geregelten Aufbau bei den spielerisch ohnehin limitierten Polinnen vollends. Im Kampf um zweite Bälle hatte Österreich zumeist die Nase vorne.
Und doch: Echte Torchancen gab es nicht besonders viele. Fuhrmann machte dafür vor allem die Entscheidungsfindung als Problemfeld aus: „Wenn wir den Ball hinter die Kette spielen können, oder scharf an die erste Stange – dann spielen wir den Ball nicht. Oder: Wie spielen ihn, dort ist aber keine Abnehmerin für den Pass. Oder: Der Pass ist nicht gut genug. An diesen drei Dingen hat es meiner Meinung nach gelegen.“
Das heißt aber eben auch: Da waren im Angriffsdrittel nicht alle mit dem selben Playbook unterwegs.
Bemüht, aber struktur- und kopflos
Gegen Ende der ersten Halbzeit knickte Barbara Dunst das Knie weg, das Kreuzband ist gerissen, das Jahr 2025 für die Flügelspielerin von Eintracht Frankfurt vermutlich verloren. Statt ihr kam Julia Hickelsberger, an der grundsätzlichen Gemengelage änderte sich aber nichts: Man versuchte ohne Dunst noch mehr, eher mit „Irgendwie“ als mit durchdachtem Spiel, die Kugel ins Angriffsdrittel zu bekommen – auf Höbi zum Weiterleiten, auf Purtscheller zum Leute ausdribbeln, auf Hickelsberger, wenn da drüben mal ein bisschen Raum war.
Polen sprintete situativ mal dazwischen, die ballführende Österreicherin an, zumeist aber war Absorbieren des Druckes angesagt. Die ÖFB-Frauen versuchten es, wollten, taten, arbeiteten. Aber es fehlte die Klarheit in den Aktionen, die Laufwege, aufeinander abgestimmtes Verhalten. Viel Kopf durch die Wand. Wenig, womit man Kinga Szemik im polnischen Tor wirklich prüfen konnte. Und dann, tief in der Nachspielzeit, fiel das Tor – aber nicht vorne zur Verlängerung, sondern hinten zur Entscheidung.
Ein Ballverlust bei einem Einwurf am eigenen Sechzehner, Pajor sagte Danke, das war’s. „Czas na nasza historię“, stand auf den polischen T-Shirts zum Erfolg, „Zeit für unsere Geschichte“. Jene bei der EM 2025 in der Schweiz wird ohne Österreich geschrieben werden.
Und jetzt? Ursachenforschung ist angesagt
Vor zwei Jahren haben die ÖFB-Frauen eine mögliche WM-Teilnahme in der ersten der zwei europäischen Playoff-Runden in Schottland versenkt. Aber 2022 war ein starkes Jahr – es gab überragende Matches gegen die Schweiz (3:0) und Rumänien (6:1), Siege gegen Nordirland in WM-Quali (3:1) und EM-Gruppenphase (2:0) und natürlich das geniale 1:0 im Spiel um den EM-Viertelfinaleinzug gegen Norwegen. Nach dem Horror von Hampden kam man zu einem verdienten Auswärtssieg in Italien.
Glasgow konnte man als Ausrutscher abtun, ohne die Chance, es im Rückspiel auszubügeln, weil es keines gab. Den Dämpfer von Danzig und die verpasste Wende von Wien nicht. Hier kulminierte viel Negativ-Entwicklung hinein.
Fortschritte im Ballbesitz?
„Wir wissen, dass wir es besser können, aber wir müssen es auch auf den Platz bringen“, hatte Fuhrmann vor dem Rückspiel gesagt. Aber: Wie oft in den letzten neun Monaten gelang das? Die erste halbe Stunde in Linz gegen Deutschland war richtig stark, das Heimspiel gegen Polen im Juli war solide und erwachsen. Aber die Spiele gegen Island waren ernüchternd (daheim) bzw. richtig schlecht (auswärts), in Deutschland war man naiv. Gegen Slowenien war viel Krampf dabei, der Gegner aber zu schwach, um es nützen.
Vor einem Jahr konstatierte man, in der Nations-League-Gruppe Fortschritte im Ballbesitz gemacht zu haben. Wo waren die hin? Die hohe Fehlpassquote im Aufbau zog sich wie ein roter Faden durch 2024, damit tat man sich schwer, konstruktiv ins Angriffsdrittel zu kommen.
In diesem Jahr gab es 18 Tore, davon resultierten vier aus Elfmetern, vier aus Standards und zwei aus schweren individuellen Schnitzern der Gegner, dazu bekam man ein Eigentor vom Gegner geschenkt. Es gab ein Weitschusstor, zwei aus Pressing-Ballgewinnen im Angriffsdrittel, einen Konter – und drei herausgespielte Treffer, wovon einer wahrscheinlich gar kein Tor war (das zwischenzeitliche 2:1 in Polen im Frühjahr, wo der Ball die Linie vermutlich nicht überquert hatte).
Nach großen Fortschritten im Ballbesitz sieht diese Bilanz ja eher nicht aus.
Formschwächen und Verletzungen – ja, eh
Vor einem Jahr schwammen viele Österreicherinnen auf einer Form-Welle, jetzt nicht. Eileen Campbell agiert als hängende Spitze im 4-4-1-1 von Freiburg in diesem Herbst bemüht, aber unglücklich und Annabel Schasching muss im Zentrum die Arbeit für drei Leute verrichten. Beim 1. FC Köln, nach zehn Spielen sieglos Vorletzter, ist Celina Degen zwar Kapitänin, aber oft verletzt. Laura Feiersinger schwimmt unauffällig im Mittelfeld-Zentrum mit, Billa kann sich nicht in Szene setzen. Essen regressiert mit Lilli Purtscheller nach der starken Vorsaison wieder zur Mitte, hat seit fünf Spielen kein Tor mehr erzielt. Dazu kommt die Kreuzband-Verletzung von Bayern-Linksverteidigerin Katharina Naschenweng, welche die Optionen auf den Flügeln ziemlich minimiert.
Bei Arsenal hat Manuela Zinsberger ihren Stammplatz an die niederländische Team-Keeperin Daphne van Domselaar verloren, für Laura Wienroither – die auch 18 Monate nach ihrem Kreuzbandriss nicht ganz sorgenfrei ist – wird es realistischerweise kaum noch einen Weg zurück ins Team geben. In Liverpool ist Marie Höbinger immer noch mit weitem Abstand die beste Torschuss-Vorbereiterin ihres Teams, allerdings mit einem weniger als halb so hohen xA-Wert als in ihrer überragenden letzten Saison. Sarah Puntigam war bei Houston in der NWSL Stammkraft, beendete die Saison (in der Orlando mit Altstar Marta und Stürmerin Barbra Banda das Finale gegen Washington 1:0 gewann) aber als Letzter.
„Jeder Trainer wünscht sich 23 Spielerinnen, die in ihren Klubs Leistungsträger sind und dabei alle top performen“, sagte Fuhrmann nach dem Rückspiel, „das ist derzeit nicht gegeben und das ist ein Puzzleteil von vielen.“
Generationswechsel gebremst, nichts ausprobiert
Der Nations-League-Herbst 2023 war der Praxistest für die Verjüngung, die nach der EM 2022 und dem WM-Playoff-Aus in Schottland eingeleitet wurde. Eileen Campbell hat sich etabliert und Nici Billa aus dem Team gespielt, Lilli Purtscheller machte das im Laufe des Herbstes mit Laura Feiersinger – im entscheidenden Spiel gegen Norwegen war die junge Tirolerin erstmals statt der routinierten Salzburgerin in der Startformation und spielte grandios.
Im Herbst 23 gab es mutige Personalentscheidungen von Fuhrmann. Celina Degen bekam nach einem Horror-Frühjahr mit wenig Spielpraxis in Köln das volle Vertrauen in der Innenverteidigung – und zahlte mit Leistung zurück. Fuhrmann stellte das System um, schob Höbinger von der Acht auf die Position der hängenden Spitze – das funktionierte prächtig, obwohl es eine ganz andere Rolle ist, als sie in im 5-3-2 von Liverpool spielt. „Dort bin ich mehr in die erste Phase des Spielaufbaus involviert, muss das gegnerische Pressing brechen“, erklärt Höbinger, „im Nationalteam steht in meiner Rolle viel mehr das Offensivspiel und die Kontersituationen im Vordergrund, und den Ball nach vorne zu tragen.“
2024 passierte diesbezüglich nichts mehr. Sarah Puntigam spielte ein mäßiges Frühjahr und einen wackeligen Herbst, aber Annabel Schasching – in Freiburg mit großer Verantwortung ausgestattet und sehr gereift – durfte in den zehn Pflichtspielen des Jahres nur zweimal eine zweite Halbzeit im Zentrum spielen, eine davon beim da schon längst kaputten Spiel in Deutschland. Bevor sie im Herbst in den vier Playoff-Matches als RV aushelfen musste, war Schasching niemals in einer Pflichtspiel-Startelf gestanden.
Fuhrmann vollzog nur noch personelle Wechsel, die ihr von äußeren Umständen aufgezwungen wurden. Nach dem Auswärts-3:0 in Slowenien hätte es es im Rückspiel Startelf-Chancen für andere gegeben. Aber „es wäre größte Gefahr zu glauben, mit dem 3:0 wäre eh alles erledigt. Dann kommen wir nicht weiter“, sagte Fuhrmann am Tag vorm Rückspiel.
Lust am Siegen wich der Furcht vorm Misserfolg
Mädl, Ojukwu, D’Angelo und Torhüterin El Sherif aus jenem U-20-Team, das zuvor ins WM-Achtelfinale gekommen war, standen bei den Slowenien-Matches im Aufgebot. Mädl war angeschlagen letztlich nicht matchfit, Ojukwu und D’Angelo schon – ihre Debüts bekam sie aber nicht. Es spielte die volle Einserpanier und die Verteidigerinnen Magerl und Croatto, die unter ihrem neuen Coach in Leipzig vermehrt Minuten bekommen (vor allem Magerl), wurden in der Schlussphase beim Stand von 2:0 eingewechselt. Es wirkte dieses Jahr zunehmend so, als würde Fuhrmanns Gespür für mutige Änderungen vom schieren Ergebnisdruck in die Schranken gewiesen.
Gegner wie Polen (alle sechs Gruppenspiele verloren!) oder Slowenien (letztes Jahr in die 3. Liga der Nations League abgestiegen!), wurden öffentlich unnötig starkgeredet. Es ist glaubhaft, gegen die großen Namen wie Frankreich oder Norwegen die Außenseiterrolle zu betonen und dann frech nach oben zu boxen. Es ist aber kleinmütig, bei Polen und Slowenien nicht zu sagen: Wir sind Österreich, waren 2017, 2022 und 2023 dreimal unter den Top-8 in Europa, es ist selbstverständlich unser Anspruch, unsere Autorität auf diese Kontrahenten auszuüben und wir zeigen denen, wer hier das Sagen hat, nämlich wir. Punkt.
„Ein 2:0 auswärts, das würde ich nehmen“, gab Barbara Dunst vor den Polen-Spielen ihre Ambition preis. Fuhrmann strich hingegen heraus, dass Polen einige Spielerinnen bei richtig guten Klubs hat.
The end of the line?
Die Pressekonferenz am Tag vor dem Polen-Rückspiel war inhaltlich insofern bemerkenswert, als Fuhrmann hier offen die Kritik in den Raum stellte, dass der ÖFB nicht genug getan habe, um das entscheidende Heimspiel zu promoten. Es waren dann nur 3.200 Leute da, darunter viele Polen, die sich auch bemerkbar machten. „Für mich hat sich’s angefühlt wie ein Heimspiel“, bestätigte Oliwia Woś. Vor allem aber war bemerkenswert, was man eher wahrnahm als hörte. Es waren Angriffe aus einer defensiven Position heraus. Körpersprache, Mimik, Wortwahl: Versuche, den Druck zu kanalisieren.
Irgendwie das Ding drüber nudeln, damit Luft verschaffen. Es ist das selbe Henne-Ei-Problem wie von ihr nach dem Match angesprochen: „Wir hatten Erfolg, daraus resultierten Investitionen. Da ist jetzt aber womöglich ein Moment, von dem aus wieder investiert werden muss, um wieder Erfolg zu haben. Von nichts kommt nichts.“ Manpower auch zwischen den Lehrgängen, etwa – die Co-Trainer Michael Zulehner und Michael Brownlow sind eigentlich von der SV Ried bzw. der Burschen-Akademie in St. Pölten.
Die Erfolge der letzten zehn Jahre ließen in Österreich eine gewisse Erwartungshaltung entstehen, die 2024 eindeutig nicht erfüllt wurde. Daraus erwächst auch die Kritik an Fuhrmann. Leise hochblubbernd nach den taktischen Fehlleistungen in Reykjavík und Hannover, unüberhörbar nach den Pleiten gegen Polen.
„Man will den Vergleich ja irgendwie gar nicht anstellen, aber im Männerfußball wäre die Konsequenz, dass der Teamchef mit diesem Leistungsnachweis gehen muss“, formulierte es Georg Sohler bei 90minuten. „Der Elefant im Raum ist die Frage nach der Zukunft von Irene Fuhrmann als Teamchefin“, Karoline Krause-Sandner im Kurier. „Eine EM-Qualifikation ist kein Selbstläufer, als elftbeste UEFA-Nation muss sie für Österreich allerdings der Anspruch sein. Ob Fuhrmann, seit Sommer 2020 im Amt, noch einmal für frischen Schwung sorgen kann?“, fragt Die Presse in Person von Senta Wintner.
Und auch prominente ehemalige Nationalspielerinnen stärken Fuhrmann nicht mehr den Rücken. „Man macht die Gegnerinnen stark. Man kann schon ein Spiel nicht gut spielen, aber das zieht sich über viele Partien“, so Austria-Sportchefin Lisa Makas bei 90minuten, „wir wissen ja, wie das Fußballgeschäft funktioniert. Da sitzt das Trainerteam immer am kürzesten Ast.“ Und Viktoria Schnaderbeck sagt im Standard-Interview bei Moritz Ettlinger: „Mir fehlt eine ganz klare Philosophie. Wer sind die Schlüsselspielerinnen und wer die Führungsspielerinnen? Wer übernimmt Verantwortung? Ich sehe derzeit nicht, wer in diese Rollen schlüpfen soll, wenn die erfahrenen Spielerinnen weg sind. Da braucht es vom Trainerteam eine klare Strategie und Leadership.“
Ob sie selbst bleiben möchte, konnte und/oder wollte Fuhrmann nach dem Aus gegen Polen nicht Sagen, „und es gibt ja auch noch einen Arbeitgeber, der da was zu sagen hat.“ Wie man die handelnden Personen beim Arbeitgeber in den letzten Jahren kennen und einschätzen gelernt hat, gilt wahrscheinlich: Wenn Irene geht, dann geht sie selbst – Sportchef Schöttel ist nicht der Typ, der Leute rausschmeißt. Fuhrmann wirkte nach dem Aus gegen Polen leer und die demonstrativen Lobeshymnen, die ihr der Vertreter vom ORF-Radio nach der PK am Rückweg durch die Mixed Zone umhängte, quittierte sie mit einem peinlich berührten Lächeln.
Die Zukunft steht vor der Tür
Viel Zeit vor den nächsten Spielen bleibt nicht, schon im Februar beginnt die neue Ausgabe der Nations League, Österreich bekommt es dort wieder mit Deutschland zu tun, dazu warten die Niederlande und Schottland. Es gilt, möglichst die Klasse zu halten, um in der Qualifikation für die WM 2025 in Brasilien nicht in eine schlechtere Ausgangslage zu rutschen.
Und von unten kommt durchaus was nach. Die erwähnte U-20, die bei der WM in Kolumbien im Achtelfinale war, sowieso. Die U-19 hat ihre EM-Quali-Vorrunde als Gruppensieger vor Serbien und Tschechien beendet und peilt ebenso eine Endrunden-Teilnahme an wie die U-17, die beinahe die große Sensation in Spanien geschafft hätte. Man presste und konterte Spanien aus, führte bereits 3:1 – einem 35-Meter-Heber von Valentina Pötzl inklusive – und kassierte in der Nachspielzeit noch das 3:3. „Das beste Ballbesitz-Team im europäischen Juniorinnen-Fußball hat gegen das beste Pressing-Team im europäischen Juniorinnen-Fußball gespielt“, sagte Trainer Patrick Haidbauer danach.
Katharina Moser ist bei der Austria mit ihren 16 Jahren schon mehr oder weniger Stammkraft auf der Sechs, vor der IV mit Kirchberger und Wenninger. Alessia Pamminger ist die Einser-Stürmerin bei Red-Bull-Kooperationsklub Bergheim. Österreich braucht jedes Jahr zumindest ein bis zwei junge Spielerinnen, die sich im Erwachsenenbereich durchsetzen, um die immer noch relativ dünne Personaldecke aufrecht erhalten zu können. Aktuell sieht es danach aus, dass das vorerst gelingen sollte.
Karten ziehen, bitte
Wie beim eingangs erwähnten Kartenspiel ist man aber auch hier gezwungen, da und dort mal ins Risiko zu gehen und eine Karte auszutauschen, die man eigentlich nicht tauschen will – obwohl das auf Sicht wahrscheinlich nötig ist. Man weiß nicht, ob jeder Move eine gute Idee ist. Der Vorteil vom Fußball gegenüber „Cabo“ ist: Hier kann man sich die Spielerinnen Woche für Woche ansehen, bei jedem Einsatz. Kann mit ihnen kommunizieren, mal da und mal dort einsetzen. Im Kartenspiel darf man hin und wieder einen Blick auf eine Karte werfen.
Der 2024 unterbrochene Umbau sieht nach dem Fehlschlag, der dieses Jahr darstellt, seiner Fortsetzung entgehen. Dafür ist Weitsicht nötig, ein genauer Plan, eine klare Strategie. Mit Geduld, aber auch mit unangenehmen Entscheidungen. Was man im Kartenspiel vom Deck zieht, ist pure Glückssache. Im Fußball ist viel mehr Einfluss möglich. Einen großen Vorteil hat „Cabo“ aber gegenüber dem Fußball:
Die Karten können sich nicht das Kreuzband reißen. Gute Besserung, Barbara Dunst.